Kann man sich mit Geld Gerechtigkeit kaufen? Und wie hoch ist der Preis dafür? Diesen Fragen widmete sich die 12. Klasse der Freien Waldorfschule Heidenheim am vergangenen Wochenende an insgesamt drei Aufführungen bei ihrem Theaterprojekt „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt.
Friedrich Dürrenmatt lässt in seiner tragischen Komödie die alternde Milliardärin Claire Zachanassian nach 45 Jahren in ihre Heimatstadt Güllen zurückkehren. Diese hatte sie damals gedemütigt verlassen, als Alfred Ill die Vaterschaft ihres Kindes bestritt. Durch mehrere Hochzeiten zur reichsten Frau der Welt geworden, macht Claire den Güllenern ein unmoralisches Angebot: Eine Milliarde für den Tod von Alfred Ill. Friedrich Dürrenmatt zeigt auf groteske Weise, dass Geld die Welt regiert und Unmoral in Sittlichkeit umgedeutet wird. Wie spannend und vielleicht aktuell die Thematik dieses Stückes ist, zeigt sich schon daran, dass der Stoff jahrelang zu den Abiturthemen in Deutsch gehörte.
Die lebendige Inszenierung, die zunächst in grau-schwarzer Kulisse stattfand und damit die trostlose Situation der Stadtbewohner von Güllen widerspiegelte, bot viele Facetten. Ideenreich inszenierte Regina Trinkaus dieses Klassenspiel. Neonfarbene Kisten und Accessoires verliehen dem Leben der Stadtbewohner zunehmend Farbe. Ein Zeichen für den Konsum, der freilich nur „auf Pump“ und damit geliehen war, in der Erwartung auf bessere Zeiten.
Die Schülerinnen und Schüler der Klasse, die alle eine größere oder kleinere Rolle in dem Stück verkörperten, stellten ihre Interpretation überzeugend dar. Dabei war bemerkenswert, dass die beiden unterschiedlichen Besetzungen jeweils ihren eigenen Charakter hatten. Dieses Prinzip, alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihren Begabungen in das Schauspiel einzubinden, ist im pädagogischen Konzept der Freien Waldorfschule Heidenheim fest verankert. Und so leisteten viele Schülerinnen und Schüler in der Verkörperung ihrer Rollen Großartiges, ja einige spielten ihre Rollen sogar so überzeugend, dass man Gänsehaut bekommen konnte.
Die Theaterprojekte an der Freien Waldorfschule Heidenheim sind ein wichtiger Bestandteil des Schullebens. Von der Auswahl des Stückes über die Gestaltung der Kulissen, Kostüme und Plakate bis hin zur Einübung der Rollen erleben die Schülerinnen und Schüler, dass es bei diesem sozialen Prozess auf jeden Einzelnen ankommt.
Unterstützt wurde dieses schauspielerische Gesamtkunstwerk durch passende musikalische Begleitung von Franka Gädecke, die mit ihrem einfühlsamen Cellospiel die Wirkung einzelner Szenen intensivierte und Raum zum Nachdenken ließ. Die zahlreichen Zuschauer haben ihrer Begeisterung durch langanhaltenden Applaus Ausdruck verliehen und waren sich einig, dass dieses Klassenspiel noch lange in Erinnerung bleiben wird. Und eine Schülerin formulierte so schön: „Durch diese Theaterinszenierung ist die Klassengemeinschaft noch näher zusammen gewachsen.“