Naturwissenschaften

Chemie und Biologie

In den fünf Jahren der Oberstufe (Klassenstufen 9 bis 13) führt der Weg in Chemie und Biologie von körperlich erfahrbaren Phänomenen über immer kleiner werdende, ins mikroskopisch gehende Vorgänge hin zu abstrakten Modellvorstellungen und Mechanismen. Am Ausgang steht in der Biologie der große Überblick.

Chemie und Biologie bilden dabei gegensätzliche Pole: Die Chemie hat die Verwandlung des Kohlenstoffs vom Zucker über den Alkohol zu Äther und Essig zum Thema – Vorgänge, die im Feuchten und Fließenden stattfinden. Besonders wichtig sind der Alkohol, die alkoholische Gärung und die nachfolgende Destillation. Dieser Vorgang trifft immer auf das ungeteilte Interesse der Schüler – auch, weil er im Grundsatz dem „gärenden“ Innenleben der sich in der Pubertät befindlichen 15-jährigen Schüler entspricht.
Im Gegensatz dazu steht die Anatomie des Menschen in der Biologie-Epoche. Beim Knochenbau und -aufbau des Menschen – also das Getrocknete, in Gestalt Geronnene – geht es einerseits um die Gestalt gebenden und erhaltenden Kräfte und andererseits um die Frage, was den Menschen von den Tieren unterscheidet. Dabei setzen sich die Schüler auch mit Tod und Vergänglichkeit auseinander.

In der 10. Klasse werden die Epochen quasi gespiegelt: Die Chemie befasst sich mit den Salzen – dem Trockenen, Gestalt Gebenden – , mit deren Aufbau und Zerstörung. In der Biologie-Epoche geht es um die inneren Organe – also um das Flüssige, sich Verwandelnde.

In der 11. Klasse befassen sich die Schüler mit den Vorgängen, die sich im Kleinen abspielen. Die in Englisch gehaltene Biologie-Epoche behandelt die Zelle und die Grundlagen der Genetik. In der Chemie-Epoche werden Modellvorstellungen über die Materie diskutiert und danach in der organischen Chemie angewandt. Eine dritte Epoche befasst sich mit der molekularen Genetik, Gentechnologie und Biochemie. In allen Epochen brauchen die Schüler ein hohes Abstraktionsvermögen für Vorgänge, die nicht mehr mit bloßem Auge sichtbar sind. Zudem müssen sie die Inhalte der englischsprachigen Epoche erfassen und in einem Epochenheft ohne die Hilfe eines Schulbuches umsetzen. Die Klassenarbeiten zeigen, dass dies den Schülern sehr gut gelingt.

In der 12. Klasse bietet die Biologie-Epoche eine Übersicht an. Behandelt wird vor allem die Evolution des Lebendigen. Es geht um die Vielfalt der Tiere, Pflanzen, Pilze und Einzeller und die Mechanismen, die zu der beobachteten Vielfalt führen.

Übersicht:
9. Klasse: Anatomie des Menschen – Knochen, Sinne
Alkoholische Gärung – Destillation, Zucker, Alkohol, Äther, Essig
10. Klasse: Anatomie des Menschen – Innere Organe
Salze, Säuren, Basen (als Praktikum)
11. Klasse: Modelle zum Atombau, chemische Bindung, organische Chemie, Biochemie
Zelle und klassische Genetik, molekulare Genetik, Gentechnik (in englischer Sprache)
12. Klasse: Evolutionstheorien, Vielfalt des Lebendigen

Praktikum in Klasse 11:
In der 11. Klasse sollen die Schüler erfahren, dass die vertraute Welt bei genauer und phantasievoller Betrachtung Fragen aufwirft und zum Nachdenken anregt, was das eigene Verhältnis zu ihr neu definiert. Dabei gibt es idealerweise zwei Schritte:

Der lehrerzentrierte Teil:
1. Fragen, Ideen und dazu gehörige Versuche zu exemplarischen Themen werden geschildert; vorgegebene Versuche werden in der Klasse durchgeführt.
2. Vermittlung methodischer Ansätze zur Versuchsplanung, Durchführung und Ergebnisanalyse.
Der weitgehend vom Schüler durchgeführte freie Teil:
3. Ausarbeitung eigener Fragestellungen in Gruppen,
4. Vorstellung des Versuchsplans vor der Klasse,
5. Durchführung und Auswertung des eigenen Versuchs,
6. Präsentation der Ergebnisse in mündlicher und schriftlicher Form.

 

Physik

Im Physikunterricht werden verschiedene Aspekte berücksichtigt: Weltverständnis, Technikverständnis, Erfassbarkeit der Gesetze durch Mathematik und Formeln, Bedeutung der Gesten und Bilder der Phänomene – und vielleicht als Wichtigstes die Bedeutung der Phänomene für uns Menschen.

Physikunterricht an unserer Waldorfschule
Physik an der Waldorfschule beginnt in der Mittelstufe in der sechsten Klasse – also in einem Alter, in dem die Kinder sich mit Begeisterung auf die Erscheinungen der Außenwelt einlassen. Hier geht es zunächst um ein tiefes Erleben der grundlegenden Phänomene aus den Bereichen Akustik, Optik, Wärme, Elektrizität und Magnetismus. In der Akustik knüpft man gerne an die Musik an: Mit einfachen Versuchen lernen die Schüler, dass der Schall ein Übertragungsmedium braucht und Zeit, um an unser Ohr zu gelangen (Wecker unter der Vakuumglocke, mit Löffeln klopfen im Wasserbecken, Starterklappe auf der Heide …).

In der siebten Klasse werden auf allen Gebieten erste Gesetzmäßigkeiten herausgearbeitet – etwa in der Optik das Reflektionsgesetz. Während in der sechsten Klasse Elektrizität durch Reibung hervorgerufen wurde, lernen wir jetzt die galvanischen Elemente (Batterie) kennen, außerdem den Zusammenhang zwischen Elektrizität und Magnetismus, mit seinen Anwendungen beim Elektromagneten bis zum Elektromotor. Als neues Gebiet kommt die Mechanik hinzu. Mit Hebel, Schiefer Ebene, Keil, Wellrad und Flaschenzug lernen die Schüler die Grundelemente der Maschinen kennen. Am mechanischen Gesetz „Arbeit gleich Kraft mal Weg“ erleben und berechnen wir, wie Kraftersparnis und größerer Weg zusammenhängen.
In der achten Klasse liegt der Schwerpunkt auf der Mechanik der Gase und Flüssigkeiten. Dabei geht es um Luftdruck, Wasserdruck und die Fortleitung –also Hydraulik, Spezifische Dichte und Auftrieb.

Das Programm in der Oberstufe ist äußerst umfangreich und sieht in groben Umrissen folgendermaßen aus:

9. Klasse: Wärmelehre zu Dampfmaschine, Fahrzeugmotoren und Verkehr; Nachrichtentechnik, Unterhaltungselektronik. In Kleingruppen machen die Schüler einfache Wärmemessungen und lernen Löten. Ziel ist es, die moderne Umwelt an herausgehobenen Beispielen, möglichst immer im Bezug zum Menschen, zu verstehen.

10. Klasse: Hier geht es um Mechanik, vor allem um Bewegungslehre: Geschwindigkeit und Beschleunigung, Reibung und Luftwiderstand. An Fall und Wurf wird demonstriert, wie mit Mathematik physikalische Gesetze erfassbar werden und wie man diese Gesetze findet. Über die Drehbewegungen kann man zu den Planetenbewegungen und dem Gravitationsgesetz kommen. Im Praktikum führen die Schüler Versuche zu Aktion und Reaktion durch Zusammensetzung von Kräften, Fallversuche mit Zeitmessung, Pendel, Trägheit, Reibung.

11. Klasse: Zunächst geht es um Elektromagnetismus, Grundlagen der Funktechnik, Schwingkreis, elektromagnetische Felder und Wellen. Weiterhin wird die Radioaktivität behandelt. Im Praktikum geht es um magnetische und elektrische Felder, um Entladungen in Gasen und Spektren sowie Strahlungen.

12. Klasse: Die Optik von der geometrischen Strahlenoptik über „Lichtgeschwindigkeit“ zu den Photonen und dem „Welle-Teilchen-Dualismus“ der Quantenmechanik bildet die Inhalten der zwölften Klasse. Behandelt werden auch der Gegensatz und die Einheit von Licht und Materie.

Ab der 7. Klasse arbeiten wir mit Formeln und Rechnungen – im Vergleich zum Gymnasium eher eingeschränkt, aber die Schüler sollen lernen, dass die physische Wirklichkeit auch auf diese Art greifbar ist. An einfachen Beispielen kann man zeigen, wie Gesetzmäßigkeiten in Formeln gebracht werden können. An erster Stelle soll aber etwas Anderes stehen, nämlich das Erleben des Darinstehens als Mensch in der physikalischen Wirklichkeit.